Gunderlach Stuttgart dpaIhre Mitarbeit führt zu Urteilen «im Namen des Volkes»: Laienrichter sollen gesunden Menschenverstand in die Justiz bringen. Dabei müssen sie hart im Nehmen sein.

Von Julia Giertz,Stuttgart (dpa/lsw): Robert Gunderlach ist ein Gerechtigkeitsfanatiker. Ein ausgeprägtes Gefühl für Gut und Böse gehört zu den Voraussetzungen für das Amt des Schöffen, das der 63-Jährige seit Jahren bekleidet. Der Sozialwissenschaftler ist einer von 7000 ehrenamtlichen Richtern im Südwesten. Zwar gibt es keinerlei formelle Anforderungen für Schöffen. Aber sie sollten eine stabile Persönlichkeit und Selbstbewusstsein mitbringen und auch mit harten Themen umgehen können, erläutert Gunderlach.


«Man muss auch urteilen können - wer es allen Recht machen will, ist in diesem Amt fehl am Platz», sagt der große Mann mit weißem Haar, der zugleich Chef des Landesverbandes der Schöffen im Südwesten ist.
Er nimmt als Richter ohne Robe in diesem Jahr zehn Termine beim Amtsgericht Schwäbisch Hall wahr. Verhandelt werden dort unter anderem Drogendelikte, Körperverletzungen oder sexueller Missbrauch.

«Man bekommt Einblick in die Niederungen des menschlichen Verhaltens», beschreibt Gunderlach das, was für ihn den Reiz seines freiwilligen Engagements ausmacht. Nicht immer lassen ihn die vor Gericht geschilderten Verbrechen gut schlafen. Sich vom Amt entbinden zu lassen, weil Fälle ihn nicht loslassen, kam ihm aber noch nie in den Sinn.

Als besonders spektakulären Fall schildert er einen Kreditbetrug im großen Umfang. Die von Florida aus agierenden Täter hatten potenzielle Kreditnehmer mit einer Vorkasse von zehn Prozent abgezockt - auf die erwünschten Kredite warteten die Kunden vergeblich. Ihr luxuriöser Lebensstil wurde den Betrügern schließlich zum Verhängnis, weil er die Aufmerksamkeit der Behörden weckte. «Da kann man schon zufrieden sein, wenn so jemand geschnappt und
verurteilt wird», erzählt Gunderlach.

Er schätzt das deutsche Schöffensystem. Im Unterschied zu den Geschworenen in den USA dürfen die Schöffen nicht nur in der Schuldfrage mitentscheiden, sondern auch beim Strafmaß. Zwar dürfen Schöffen Zeugen und Angeklagte befragen. «Die eigentliche Arbeit geschieht aber in der Beratung des Richterteams.»

Am Amtsgericht besteht das Team aus zwei Schöffen und einem Berufsrichter. Im Landgericht kommen zwei Schöffen auf zwei bis drei hauptamtliche Richter. Die Entscheidungen müssen mit Zwei-Drittel-Mehrheit getroffen werden. Am Amtsgericht können die Schöffen den Berufsrichter also überstimmen. «Das geschieht aber nur in wenigen Fällen», erzählt Gunderlach, der seit dem Jahr 2000 mit einer Unterbrechung von vier Jahren Teil der Rechtsprechung ist. Doch bei Fragen der Bewährung oder des Strafmaßes brächten die Schöffen ihre Sichtweisen ein und bewirkten auch Veränderungen.

Ist ein solches Ehrenamt nur etwas für Akademiker im Ruhestand? Gunderlach, Mitarbeiter des Statistischen Amtes der Stadt Stuttgart, verneint. «Zu meinen Schöffenkollegen gehören Rentner, Kommunalpolitiker, Sozialarbeiter, Lehrer oder Bankkaufleute», sagt er. Diese Vielfalt trage zu einer bürgernahen Justiz bei. Gunderlach sieht es so: «Das Prinzip einer Durchmischung ist geglückt.»

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