Pressemitteilung vom 11. Mai 2012
Brüssel/Berlin. Führende Vertreter von 17 Organisationen aus 14 europäischen Staaten unterzeichneten am Wochenende in Brüssel die "Europäische Charta der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter und Schiedspersonen". Gleichzeitig riefen sie den 11. Mai zum "Europäischen Tag des ehrenamtlichen Richters" aus. In ihrer Grußbotschaft an die Teilnehmer würdigte die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission und Kommissarin für Justiz, Viviane Reding, die Unterzeichnung der Charta als "großen Moment der Emanzipation der Zivilgesellschaft". Sie hob die Bedeutung des Amtes für eine demokratische und bürgernahe Justiz hervor und sicherte die Unterstützung der Kommission bei der weiteren Zusammenarbeit der Verbände zu. In Europa würden ehrenamtliche Richter – vor allem aber auch ehrenamtliche Streitschlichter (Schiedspersonen) – auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen.
Als historischen Tag bezeichnete der deutsche Vorsitzende der ehrenamtlichen Richter, Hasso Lieber, die Unterzeichnung im Anna Lindh-Saal des Europäischen Parlaments. Unter seiner Verantwortung wurde die Charta erarbeitet.
Nach über zweijähriger Vorarbeit einigten sich die Organisationen auf Mindeststandards, die die Rechtsprechung der europäischen Staaten bei der Beteiligung ehrenamtlicher und Laienrichter einzuhalten haben. Dazu gehören sowohl die gleichberechtigte Teilnahme in den Verhandlungen mit den Berufsrichtern als auch das Verbot von Diskriminierung und Benachteiligung im Beruf. Die Beteiligung von Vertretern aus dem Volk an der Rechtsprechung bezeichnet die Charta als essentielles Element der Demokratie. Mehr noch als bei der Beteiligung in der Volksgesetzgebung oder bei Referenden übernehmen ehrenamtliche Richter in fast allen Bereichen der Rechtspflege Verantwortung für das Schicksal ganz konkreter Menschen, über deren Rechtspositionen oder gar Freiheit sie mitentscheiden. Die Charta verlangt daher auch eine entsprechende Auswahl, Vorbereitung und Fortbildung während der Amtsausübung.
Mehr Europa wollen die Verfasser der Charta auch bei der Möglichkeit, dass in bestimmten Verfahren EU-Bürger in anderen Staaten das ehrenamtliche Richteramt übernehmen können, wenn sie die Voraussetzungen erfüllen. In Vorbereitung der Brüsseler Konferenz fanden Meetings in Berlin (2010) und London (2011) statt, die von der Europäischen Akademie Berlin und dem deutschen Bundesverband organisiert wurden. Erste Treffen ehrenamtlicher und Friedensrichter gab es bereits 2004 in Turin und 2009 in Helsinki. Im August dieses Jahres treffen sich die Verbände erneut, um ein gemeinsames Europäisches Netzwerk vorzubereiten.
Teilnehmerstaaten: Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, England und Wales, Estland, Finnland, Frankreich, Italien, Nordirland, Österreich, Schweden, Spanien, die Europäische Union der Handelsrichter
Die Charta in deutscher Fassung finden Sie hier.